Die Mediathek der Bundeswahlleiterin
In unserer Mediathek finden Sie spannende Interviews und informative Erklärvideos rund um Europa- und Bundestagswahlen.
Europawahl 2024
Informationsvideos für Wahlhelfende
Videobotschaft des Bundespräsidenten zur Europawahl 2024
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Informationsvideos für Wählende
So funktioniert die Europawahl
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So funktioniert die Briefwahl
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So wählst du, wenn du umziehst
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So läuft deine Wahl ab
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So wird eine Stimme ungültig | Was ist der Wahlvorstand und was sind die Aufgaben?
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Bundestagswahl 2021
Informationsvideos für Wahlhelfende
Aufruf des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier
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Der Wahlvorstand
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Ablauf des Wahltages
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Ablauf der Stimmenzählung und Dokumentation
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Informationsvideos für Wählende
Rund um die Briefwahl
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Umzug vor der Wahl?
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Wie werden die Sitze verteilt?
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Podcasts
Textversion Ausgabe 1
Deutschland im Superwahljahr: 2021 werden zwei Kommunalwahlen abgehalten, sechs Länderparlamente gewählt und auch der Deutsche Bundestag in Berlin. Und das in einer Zeit, in der das Coronavirus Bürgerinnen und Bürger verunsichert und den Institutionen bei der Bewältigung der Krise viel abverlangt. Wie organisiert man eine Bundestagswahl in Pandemie-Zeiten? Was bedeutet es, wenn immer mehr Menschen ihre Stimme per Brief abgeben wollen? Und wie sicher ist die Wahl überhaupt? Darüber sprechen wir mit Dr. Georg Thiel, Bundeswahlleiter und Präsident des Statistischen Bundesamtes.
Herr Dr. Thiel, was gibt es bei der Organisation einer Bundestagswahl von Ihrer Seite eigentlich grundsätzlich zu bedenken?
Wie eine Bundestagswahl durchzuführen ist, das ist im Wesentlichen im Wahlrecht festgelegt. Darin ist zum Beispiel geregelt, dass die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme am Wahltag im Wahllokal abgeben oder per Briefwahl wählen können. Meine Aufgabe als Bundeswahlleiter ist es für einen entsprechenden, ordnungsgemäßen Ablauf zu sorgen. Und zwar gemeinsam und in enger Abstimmung mit den übrigen Wahlorganen in Ländern, Kommunen und den Wahlbezirken. Sie sind für die Wahlorganisation vor Ort zuständig. Meine Aufgabe reicht von der Zulassung der Parteien durch den Bundeswahlausschuss über die Zulassung der Wahlvorschläge und über die rechtzeitige Versendung der Briefwahlunterlagen bis zur Ermittlung des Wahlergebnisses.
Die Aufgaben des Bundeswahlleiters
Die Aufgaben des Bundeswahlleiters
Der Bundeswahlleiter und sein Stellvertreter werden vom Bundesminister des Innern auf unbestimmte Zeit ernannt. Traditionell wird der Präsident des Statistischen Bundesamtes zum Bundeswahlleiter bestellt, weil er in dieser Eigenschaft zur Erfüllung seiner Aufgaben auf das Personal und die Einrichtungen des Statistischen Bundesamtes zurückgreifen kann. Der Bundeswahlleiter ist allein an die gesetzlichen Vorschriften gebunden. Seine Aufgaben sind vielfältig. Er überwacht beispielsweise auf Bundesebene die ordnungsgemäße organisatorische Vorbereitung und die Durchführung der Wahl. Dabei ist er eines von mehreren Wahlorganen, die von der Bundesebene, über die Landes- und Kreisebene bis in die Wahlbezirke und Wahlkreise die Wahlen in einer festgelegten Aufgabenteilung organisiert. Der Bundeswahlleiter hat außerdem den Vorsitz des Bundeswahlausschusses inne, der unter anderem entscheidet, welche Parteien für die Wahl zugelassen sind. Eine tragende Rolle kommt ihm am Wahltag selbst zu: Er ist für die Ermittlung des vorläufigen Wahlergebnisses zuständig und gibt dieses selbst bekannt.
Nun ist dies ja ein besonderes Jahr: Was unterscheidet die Vorbereitungen unter Corona-Pandemie-Bedingungen von denen früherer Jahre?
Die Pandemie stellt natürlich auch die Parteien bei ihrer Wahlvorbereitung vor große Herausforderungen. Bisher mussten die Bewerberinnen und Bewerber für die Bundestagswahl in einer Versammlung der Parteimitglieder gekürt werden. Solche Präsenzveranstaltungen können in Zeiten der Pandemie möglicherweise nicht abgehalten werden. Deshalb hat der Gesetzgeber bereits vorsorglich das Bundeswahlgesetz geändert. In Ausnahmefällen ist die Kür der Kandidatinnen und Kandidaten nun auch digital oder per Briefwahl möglich.
Ferner beobachte ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Landeswahlleitungen die Entwicklung der Pandemie genau und wir tauschen uns permanent aus, was man in der Vorbereitung beachten sollte und auf welche Szenarien wir uns einstellen müssen. Eine bis zum Wahltag andauernde Pandemie erfordert schließlich besondere Maßnahmen bei der Organisation der Wahl vor Ort. Werden zum Beispiel möglicherweise mehr Briefwahlunterlagen benötigt als üblich?
Müssen für die Stimmabgabe Infektionsschutzmaßnahmen in den Wahllokalen getroffen werden? Welche sind das dann? Wie kann sichergestellt werden, dass das Infektionsrisiko bei der Stimmauszählung möglichst minimiert wird?
Brauchen wir beispielsweise mehr Wahllokale oder größere Räume, um Menschenansammlungen zu vermeiden? Wie geht man im Wahllokal mit Verstößen gegen die Maskenpflicht um? Und was tut man umgekehrt, wenn eine Person durch Mundschutz nicht richtig identifiziert werden kann? Um all diese Fragen muss sich die Wahlorganisation kümmern.
Wie wird konkret dafür gesorgt, dass eine Stimmabgabe im Wahllokal sicher stattfinden kann?
Wie schon gesagt: Wir bereiten uns für verschiedene Szenarien intensiv vor. Wir prüfen beispielsweise, inwieweit Wahlhelferinnen und Wahlhelfer geimpft werden können. Oder ob es sinnvoll ist, Wahllokale zu vergrößern. Wir beobachten natürlich auch, welche Erfahrungen andere bereits gesammelt haben. Einige Länder haben ja inzwischen Kommunalwahlen unter Pandemiebedingungen durchgeführt. Allerdings ist es meines Erachtens jetzt noch viel zu früh, sich schon auf konkrete Maßnahmen festzulegen. Wir wissen noch nicht, wie die Pandemie weiter verläuft.
Könnte die Bundestagswahl auch vollständig digital durchgeführt werden?
Eine digitale Stimmabgabe am Wahltag halte ich für so gut wie ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat für den Einsatz elektronischer Wahlgeräte hohe Hürden gesetzt – und damit auch der Stimmabgabe übers Internet. Die Öffentlichkeit und Geheimhaltung der Wahl müssen gewährleistet sein, ebenso die Nachvollziehbarkeit des Wahlergebnisses. Derzeit gibt es meines Wissens kein System, dass diese Anforderungen erfüllt. Und noch etwas gilt es zu Bedenken: Das Internet ist meines Erachtens von seiner Sicherheitsarchitektur noch immer zu anfällig. Gerade angesichts der anhaltenden Diskussion um Cyberangriffe halte ich unsere analoge Wahl noch für die beste Lösung. Das Wählen mit Zettel und Stift mag auf viele altmodisch wirken. Es ist aber auch der beste Schutz gegen Wahlmanipulationen. Für die Wahlvorbereitung ist die stärkere Nutzung digitaler Angebote aber denkbar. Zum Teil sind Online-Dienste im Kontext von Wahlen auch schon Realität. Denken Sie etwa an das Angebot in vielen Gemeinden, Briefwahlunterlagen bequem online zu beantragen.
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wird erwartet, dass mehr Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme per Briefwahl abgeben. Wie lautet da Ihre Einschätzung?
In der Tat, bei den letzten Bundestags- und Europawahlen ist die Briefwahlquote stets gestiegen. Bei der letzten Bundestagswahl lag sie bei 28,6 %. Ich rechne für die anstehende Bundestagswahl mit einem weiteren Anstieg.
Wie bewerten Sie einen solchen möglichen Anstieg der Briefwahl?
Für jede Wahl ist eine hohe Wahlbeteiligung sehr wichtig. Sie bildet den Grundstein für die demokratische Legitimation unseres Parlaments. Briefwahl ist hier, gerade in Zeiten einer Pandemie, ein wichtiger ergänzender Baustein für die Stimmabgabe. So kann eine hohe Wahlbeteiligung auch in Pandemie-Zeiten sichergestellt werden.
Ist eine hohe Briefwahlquote vom Wahlrecht gedeckt?
Ja, das Bundesverfassungsgericht hat die Urnenwahl zwar als verfassungsrechtliches Leitbild bezeichnet. Gleichzeitig hat es aber die Briefwahl nicht beanstandet. Insofern ist die Briefwahl ein ergänzender Baustein unserer Urnenwahl.
Wäre auch eine reine Briefwahl denkbar?
Um die Wahl im Extremfall als reine Briefwahl durchführen zu können, müsste das Bundeswahlrecht geändert werden. Das muss letztlich der Gesetzgeber entscheiden. Sachsen-Anhalt hat beispielsweise kürzlich das Landeswahlrecht geändert. Dort könnten unter bestimmten Umständen die Landtagswahlen ausschließlich per Briefwahl durchgeführt werden. Für den 26. September hoffe ich doch, dass die Pandemie zurückgefahren ist und wir eine Wahl durchführen können, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen.
Was bedeutet es für die Wahlorganisation, wenn mehr Menschen per Brief wählen wollen?
Es geht hauptsächlich um zwei Punkte, die nach unserer Einschätzung von Bedeutung sind. Der erste betrifft die Wahlvorstände: Das Wahlrecht sieht vor, dass es für jeden Urnenwahlbezirk und für jeden Briefwahlbezirk jeweils einen eigenen Wahlvorstand gibt. Wenn die Briefwahlquote steigt, müssen mehr Briefwahlbezirke gebildet werden. Das bedeutet: Die für die Berufung der Wahlvorstände zuständigen Gemeinden müssen in einem viel größeren Umfang ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger für die Briefwahlbezirke gewinnen. Damit Sie sich einen Eindruck der Größenordnung machen können: Bei der letzten Bundestagswahl gab es rund 72.000 Urnenwahlbezirke und rund 17.000 Briefwahlbezirke. Der zweite Punkt betrifft die Briefwahl-Unterlagen: Die Briefwahlunterlagen müssen rechtzeitig an die Wahlberechtigten versandt werden, und diese müssen sie wieder rechtzeitig an das zuständige Wahlamt zurücksenden. Dort müssen sie spätestens am Wahltag um 18 Uhr eingetroffen sein, um ausgezählt werden zu können. Das alles muss gewährleistet sein.
Die Wahlrechtsgrundsätze
In den Wahlrechtsgrundsätzen ist die Basis für demokratische Wahlen festgelegt. Für Bundestagswahlen gelten fünf ausdrücklich geregelte Wahlrechtsgrundsätze: Die Wahl muss allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim erfolgen. Nicht ausdrücklich geregelt, aber als Wahlrechtsgrundsatz ebenfalls anerkannt ist der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Die Allgemeinheit der Wahl besagt, dass bei der Bundestagswahl grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger des Staates teilnehmen dürfen. Die Unmittelbarkeit bedeutet, dass die Abgeordneten direkt gewählt werden und nicht über Wahlleute. Der Grundsatz der freien Wahl drückt aus, dass die Wählerinnen und Wähler ihre Entscheidung ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen treffen können. Der Grundsatz der Wahlgleichheit bestimmt, dass jede Wählerin und jeder Wähler dieselbe Anzahl von Stimmen und jede Stimme gleiches Gewicht hat. Die geheime Wahl erfordert, dass jede Person ihr Wahlrecht so wahrnehmen kann, dass nicht nachvollziehbar ist, wie sie gewählt hat. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verlangt, dass sich die Wahl vor den Augen der Öffentlichkeit vollzieht. Die wesentlichen Teile des Wahlvorgangs wie die Wahlhandlung, mit Ausnahme der Stimmabgabe, und die Ergebnisermittlung sollen öffentlich überprüfbar sein.
Zuletzt wurde in der Öffentlichkeit immer wieder die Frage gestellt, inwieweit die Bundestagswahlen anfällig für Manipulationen sind – gerade auch mit Blick auf die Briefwahl. Was sagen Sie dazu?
Eine Manipulation des gesamten Wahlergebnisses durch einen Missbrauch der Briefwahl kann ausgeschlossen werden. Dafür hat der Gesetzgeber eine Reihe von Vorkehrungen getroffen. Beispielsweise müssen Briefwählerinnen und -wähler auf dem Wahlschein an Eides statt versichern, dass sie den Stimmzettel persönlich ausgefüllt haben. Andere Regelungen stellen sicher, dass Briefwahlunterlagen nicht in falsche Hände geraten. Verstöße dagegen können strafbar sein. Missbrauchsversuche sind vor diesem Hintergrund allenfalls in Einzelfällen und bei hinreichender krimineller Energie denkbar. Eine Manipulation des gesamten Wahlergebnisses auf diesem Weg ist nicht möglich. Auf einen Punkt möchte ich darüber hinaus hinweisen: Es stimmt, dass sich das Stimmverhalten der Urnenwähler von dem der Briefwählerinnen und Briefwähler unterscheidet. Allerdings ist das keinesfalls ein Hinweis auf Manipulation, sondern vielmehr auf ein verändertes Wahlverhalten von Urnen- und Briefwählern.
In Deutschland gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Inwieweit ist dieser Punkt wichtig, um Manipulationen auszuschließen?
Dieser Grundsatz ist immens wichtig und eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Wahlergebnis akzeptiert wird. Er sieht nämlich vor, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl transparent und öffentlich überprüfbar sind. So wird die Auszählung der Stimmen nicht allein von Wahlbeobachtern kontrolliert. Jeder Bürger und jede Bürgerin können ohne Anmeldung dabei sein. Sämtliche Beratungen und Beschlüsse der Wahlorgane – wie zum Beispiel des Bundeswahlausschusses – finden ebenfalls öffentlich statt. Die Öffentlichkeit übt damit eine wichtige Kontrollfunktion aus. Sie sichert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in manipulationsfreie Wahlen. Gibt es nachweislich berechtigte Zweifel an den Ergebnissen in einem bestimmten Wahlbezirk, so können die Stimmen in diesem Bezirk nachgezählt werden. Auch das gehört zu einem höchst transparenten, demokratischen Wahlvorgang. Das kommt in geringerem Umfang bei jeder Wahl vor: Bei der Bundestagswahl 2017 wurde in insgesamt 195 von knapp 89.000 Wahlbezirken nachgezählt. Und, was die hohe Belastbarkeit des vorläufigen Ergebnisses zeigt: Die Differenz zwischen dem vorläufigen, also dem Wahlergebnis, was in der Nacht verkündet wird, und dem endgültigen Ergebnis, also dem, was einige Wochen später als endgültig erklärt wird, lag 2017 lediglich bei 0,019 %. Oder, in absoluten Zahlen ausgedrückt, bei 8.635 Zweitstimmen.
Herr Dr. Thiel, zum Abschluss noch eine Frage: Was verbinden Sie mit diesem besonderen Amt des Bundeswahlleiters, das Sie ja seit einigen Jahren bekleiden?
Die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen ist die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Dies in Teamarbeit mit den Wahlleitungen in den Ländern und auf Bundesebene durchzuführen, das erfüllt einen mit tiefer Genugtuung.
Nach obenTextversion Ausgabe 2
Die Bundestagswahl rückt näher: Am 26. September entscheiden die Wählerinnen und Wähler, welche Abgeordneten die Politik in Deutschland in den nächsten Jahren maßgeblich mitbestimmen. Ein so wichtiger Vorgang muss natürlich sicher und ordnungsgemäß ablaufen. Und doch hört man immer wieder von Risiken, von möglichen Cyberangriffen auf die Wahl, von Desinformationskampagnen und der Gefahr von Manipulationsversuchen. Wie sicher ist die Bundestagswahl? Wer kümmert sich um die Sicherheit der Wahl, und welche Maßnahmen werden dafür getroffen? Darüber sprechen wir mit Herrn Dr. Georg Thiel, Bundeswahlleiter und Präsident des Statistischen Bundesamts.
Herr Dr. Thiel, inwiefern sind Sie als Bundeswahlleiter für die Sicherheit der Bundestagswahl verantwortlich?
Ein ordnungsgemäßer und sicherer Ablauf der Bundestagswahl ist die Grundvoraussetzung für unsere funktionierende Demokratie. Als Bundeswahlleiter bin ich in Zusammenarbeit mit den Landeswahlleitungen, den Kommunalwahlleitungen und vielen anderen Behörden für die ordnungsgemäße organisatorische Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl zuständig – und dann auch für das amtliche Endergebnis. Die Sicherheit der Bundestagswahl und ein ordnungsgemäßer Wahlablauf umfassen dabei verschiedene Aspekte: Zum einen muss natürlich die Informations- und Kommunikationstechnik funktionieren. Sie muss gegen Ausfälle und Manipulationen abgesichert werden. Zum anderen sollen auch andere Risiken ausgeschlossen werden, etwa Manipulationsversuche bei der Briefwahl oder der Urnenwahl. Hierfür gibt es klare Regeln im Wahlrecht. Und wir treffen bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl zahlreiche organisatorische Maßnahmen, damit alles am Wahltag ordnungsgemäß abläuft.
Das klingt nach einer sehr großen Aufgabe! Wie schaffen Sie das?
Ja, das ist auf jeden Fall eine große Verantwortung. Aber natürlich bin ich dabei nicht allein: Ich habe ein starkes und eingespieltes Team hinter mir. Wir proben alles bis ins Detail und haben schon viele Wahlen gemeistert. Auch die Landes- und Kreiswahlleitungen sowie Kommunalverwaltungen treffen zahlreiche Vorkehrungen für einen ordnungsgemäßen Wahlablauf. Und wir haben starke Partner: So unterstützt uns zum Beispiel das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bei der Absicherung unserer informationstechnischen Systeme. Auch mit dem Bundesministerium arbeiten wir eng zusammen. Es ist sowohl für das Wahlrecht zuständig als auch für Maßnahmen zum Schutz der Bundestagswahl gegen die sogenannten „hybriden Bedrohungen“. Wir stehen außerdem mit verschiedenen Sicherheitsbehörden in engem Kontakt. Es setzen sich also sehr viele Beteiligte für eine sichere und ordnungsgemäße Wahl ein!
Sie haben vorhin die rechtlichen und organisatorischen Vorkehrungen angesprochen. Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Ein gutes Beispiel sind hier die Wahlorgane, die für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zuständig sind: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Wahlorganisation und die Akzeptanz des Wahlergebnisses sind von immenser Bedeutung. Grundbedingung dafür ist die gesetzlich verpflichtend festgelegte Unabhängigkeit und Neutralität der Wahlorgane. Die Wahlorgane, das sind der Bundeswahlleiter und der Bundeswahlausschuss, die Wahlleiterinnen und Wahlleiter sowie die Wahlausschüsse auf Ebene der Länder und Wahlkreise und die Wahlvorstände. Diese Wahlorgane sind nicht an Weisungen gebunden, sondern nur an die gesetzlichen Regelungen. Die Ausschüsse werden außerdem immer durch mehrere Personen besetzt. Das sorgt für eine gegenseitige Kontrolle. Bundeswahlleiter und Landeswahlleitungen stehen im ständigen Kontakt und stimmen sich vor der Wahl und am Wahltag zu jeder Zeit eng ab.
Stichwort Wahltag: Wer unterstützt denn dann noch zusätzlich?
Wir gehen davon aus, dass diesmal rund 700.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer am Wahltag notwendig sind. Das ist ein Dienst an unserer Demokratie, der nicht zu unterschätzen ist – und das alles auf ehrenamtlicher Basis. Am Wahltag sorgen sie in ganz Deutschland für den ordnungsgemäßen und sicheren Ablauf der Wahl. Beispielsweise überprüfen sie die Wahlberechtigungen, geben die Wahlurnen für den Einwurf des Stimmzettels frei und sorgen für Ordnung im Wahlraum. So können die Wählerinnen und Wähler ungestört ihre Stimme abgeben. Und dann gibt es natürlich auch eine Reihe von Maßnahmen, um die Briefwahl sicher zu machen…
… Das ist ja im Hinblick auf den zu erwartenden Anstieg beim Anteil der Briefwählerinnen und -wähler ein wichtiges Thema …
Richtig, angesichts der Pandemie gehen wir davon aus, dass bei der Bundestagswahl 2021 mehr Wahlberechtigte als bei vorherigen Wahlen die Briefwahl nutzen werden. Die letzten Landtagswahlen haben uns gezeigt, dass das einerseits genau in diese Richtung geht – mehr Briefwahlen –, andererseits die Wahlorganisationen diesen Ansturm auf die Möglichkeit der Briefwahl meistern werden.
Es gibt viele Vorkehrungen im Wahlrecht, die dabei einen ordnungsgemäßen Ablauf der Briefwahl gewährleisten sollen:
Bevor wir über die IT-Sicherheit bei der Wahl sprechen, wollen wir kurz erklären, welche Stellen Informationstechnik bei der Wahl einsetzen und welche Anforderungen hierbei gelten.
Informationstechnik wird bei der Bundestagswahl eingesetzt, um am Wahlabend die Ergebnisse zu übermitteln und das vorläufige amtliche Wahlergebnis zu berechnen. Grundsätzlich ist die Wahl in Deutschland dezentral organisiert. Das heißt, die Wahlorgane entscheiden in eigener Zuständigkeit über den Einsatz von Informationstechnik. Nach der Stimmabgabe mit Stimmzetteln erfolgt bei Bundestagswahlen die Auszählung der Stimmen in den Wahllokalen händisch. Die Gemeinden stellen die Ergebnisse der Wahllokale zusammen und übermitteln sie an die Kreiswahlleitungen. Diese ermitteln das Ergebnis für den Wahlkreis und senden es an die Landeswahlleitungen. Die Landeswahlleitungen berechnen das Wahlergebnis im Land und übermitteln es an den Bundeswahlleiter. Ab Gemeindeebene kann Informationstechnik zum Einsatz kommen. Aber spätestens der letzte Übermittlungsschritt von den Landeswahlleitungen an den Bundeswahlleiter erfolgt in der Wahlnacht elektronisch. Aus diesen Daten wird das vorläufige amtliche Wahlergebnis ermittelt, das der Bundeswahlleiter in der Wahlnacht oder am Morgen des Folgetages bekannt gibt.
Herr Dr. Thiel, welche informationstechnischen Vorkehrungen werden getroffen, um die Bundestagswahl abzusichern?
Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich hier nicht so tief in die Einzelheiten einsteigen kann, denn das würde schon die Sicherheit gefährden. Aber seien Sie sicher: Bei der Bundestagswahl hat die Absicherung der Informationstechnik für uns allerhöchste Priorität. Daran arbeiten viele Behörden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das BSI, unterstützt insbesondere den Bundeswahlleiter und die Landeswahlleitungen, um Gefährdungen für die Informationssicherheit zu erkennen und ihnen zu begegnen. In Abstimmung mit dem Bundesamt und anderen Sicherheitsbehörden werden wir aktuelle Entwicklungen beobachten und die bereits getroffenen Sicherheitsvorkehrungen permanent prüfen und anpassen. Wir bereiten uns auf vielfältige Angriffsstrategien durch Cyberattacken vor und spielen Szenarien durch, um mögliche Schwachstellen unserer IT zu erkennen und Abhilfe zu schaffen.
Wie wird sichergestellt, dass das Wahlergebnis korrekt ermittelt wird?
Die Wahlergebnisse werden am Wahlabend verschlüsselt von den Landeswahlleitungen an die Bundeswahlleitung übermittelt, über das vom Internet unabhängige, speziell gesicherte Behördennetzwerk des Bundes und der Länder. Anhand dieser Daten berechnen wir das vorläufige amtliche Ergebnis.
Das endgültige amtliche Wahlergebnis, welches am Ende entscheidend für die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag ist, wird etwa drei Wochen nach dem Wahltag durch den Bundeswahlausschuss ermittelt, und zwar anhand der förmlichen Niederschriften der einzelnen Wahlausschüsse. Es basiert damit auf Papier. Eine Beeinflussung des endgültigen amtlichen Ergebnisses durch Cyberangriffe ist also ausgeschlossen.
Wie können sich die Bürgerinnen und Bürger denn selbst davon überzeugen, dass bei der Wahl alles ordnungsgemäß abläuft?
Es gibt in Deutschland ein ganz wichtiges Prinzip, das den Wahlablauf absichert und die Ermittlung des Wahlergebnisses transparent macht. Es handelt sich um den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Er besagt, dass alle Schritte des Wahlprozesses öffentlich und nachvollziehbar sein müssen. Die Öffentlichkeit der Wahl ist entscheidend für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den korrekten Wahlablauf.
Wie wird das in der Praxis umgesetzt?
Das sieht so aus: Beispielsweise zählen die Wahlvorstände die Stimmzettel öffentlich aus. Da kann jede Bürgerin und jeder Bürger bei der Auszählung der Urnen- und der Briefwahlbezirke ohne Anmeldung dabei sein. Außerdem schickt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter, die die Vorgänge genau inspizieren und sehen, dass es zu keinen Manipulationen kommt. Alle Entscheidungen der Wahlorgane finden ebenfalls öffentlich statt. Zum Beispiel wird der Bundeswahlausschuss sogar im Internet-TV übertragen. Das alles sorgt dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger auf eine ordnungsgemäße, manipulationsfreie Wahl vertrauen können.
Sie haben es eben schon erwähnt: Im Zusammenhang mit der Wahl ist immer wieder von hybriden Bedrohungen die Rede. Aber was versteht man eigentlich darunter?
Mit dem Begriff der „hybriden Bedrohungen“ beschreibt man spezifische Versuche der Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung in Deutschland. Diese Einflussnahme kann durch verschiedene Methoden und Werkzeuge geschehen. Zu nennen sind beispielsweise Cyberangriffe sowie Propaganda und Desinformationskampagnen, also die gezielte Verbreitung falscher oder irreführender Informationen in den Medien und sozialen Netzwerken. Urheber können einerseits inländische Akteure sein. Andererseits können sich auch fremde Staaten gezielt solcher Mittel bedienen. In diesem Fall spricht das BMI – das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat – von sogenannten „hybriden Bedrohungen“. Solche Versuche, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, kann es auch im Umfeld der Bundestagswahl geben. Sie richten sich gegen die souveräne politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland. Das BMI analysiert zusammen mit den ihm unterstellten Sicherheitsbehörden und den verschiedenen Ressorts der Bundesregierung die Bedrohungslage. Es koordiniert ressortübergreifend Maßnahmen zum Schutz der Bundestagswahl, insbesondere vor illegitimer Einflussnahme durch fremde Staaten.
Herr Dr. Thiel, was unternimmt der Bundeswahlleiter angesichts sogenannter hybrider Bedrohungen?
Zunächst einmal ist es wichtig, dass die Wählerinnen und Wähler ihre Entscheidung gut informiert, und zwar auf Basis objektiver Daten und Fakten treffen können. Gleichzeitig ist das Vertrauen in die korrekte Ermittlung der Wahlergebnisse entscheidend. Desinformationskampagnen versuchen gezielt, falsche oder irreführende Informationen über Wahlabläufe, Sicherheit und Validität der Wahl zu streuen. Sie haben das Ziel, Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen und Misstrauen gegenüber Wahlablauf und Wahlergebnis zu provozieren. Und damit wollen sie Zweifel an unserer Demokratie hervorrufen. Dem müssen wir alle entgegenwirken!
Und wie machen Sie das?
Der Bundeswahlleiter ist die offizielle, überparteiliche und seriöse Quelle für Informationen rund um das Wahlverfahren. Wir informieren proaktiv, umfassend und auf vielen Kanälen. Unsere Webseite, www.bundeswahlleiter.de, bietet Hintergrundinformationen und aktuelle Nachrichten. Bei Twitter und Instagram informieren wir über den Account @Wahlleiter_Bund über alles Wichtige rund um die Wahl. Mein Team beobachtet die Lage in den klassischen und sozialen Medien, um Desinformationen zu erkennen und ihnen auf diesen Kanälen zu begegnen. Ganz neu haben wir auf unserer Webseite die Rubrik „Fakten gegen Fake News“ eingerichtet. Hier weisen wir auf falsche oder irreführende Aussagen zur Wahl hin, die wir – beispielsweise in den sozialen Netzwerken – entdeckt haben. Und wir stellen diese Aussagen natürlich richtig. Medien sowie Bürgerinnen und Bürger können Fragen an mein Büro richten. Wir arbeiten außerdem mit der Bundeszentrale für politische Bildung zusammen, die ebenfalls über wichtige Themen rund um die Bundestagswahl informiert.
Wir sind davon überzeugt, dass korrekte und umfassende offizielle Informationen ein wichtiges Instrument gegen Beeinflussungsversuche sind.
Haben Sie ein Beispiel für uns, wie Sie mit irreführenden Aussagen umgehen?
Bei früheren Wahlen haben wir bei Twitter zum Beispiel Aussagen aufgeklärt wie etwa: „Warum ist mein Stimmzettel gelocht? Dadurch ist er doch ungültig!“ Es stimmt, dass die Stimmzettel gelocht sind. So können blinde und sehbehinderte Menschen ihre Stimmzettelschablone richtig anlegen. Mithilfe der Schablone können sie den Inhalt des Stimmzettels mit den Fingern lesen und somit eigenständig und geheim wählen. Diese Information haben wir dann zur Klarstellung getwittert.
Welchen Beitrag leisten Ihrer Meinung nach die Medien zur Sicherheit der Bundestagswahl?
Die Medien sorgen ebenfalls für sachliche und verlässliche Informationen und leisten damit eine unschätzbar wertvolle Aufklärungsarbeit. Wir haben in Deutschland eine vielfältige und kritische Presselandschaft. Die Medien berichten objektiv und neutral. Einige haben sogar spezialisierte Faktenprüfer, die Falschmeldungen und Gerüchte aufdecken und richtigstellen. Die Medien sind also ein ganz wichtiger Baustein, um richtige Informationen über die Wahl verbreiten zu können.
Und wie können sich die Bürgerinnen und Bürger vor gezielter Desinformation schützen?
Auch die Bürgerinnen und Bürger selbst sind in der Verantwortung. Sie haben die Möglichkeit, sich umfassend über viele seriöse Kanäle zu informieren. Informationen, gerade in sozialen Netzwerken, sollte man stets kritisch hinterfragen und auf Verlässlichkeit prüfen.
Die Bundestagswahl stellt uns alle vor Herausforderungen: die Wahlorgane und Behörden, die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, Parteien, Medien sowie Bürgerinnen und Bürger. Aber: Wahlen sind die Grundlage unserer Demokratie. Der gemeinsame Einsatz für eine ordnungsgemäße und sichere Bundestagswahl lohnt sich also allemal.
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